Kriegsverbrecher, Helden oder Spione? Russische Deserteure suchen Schutz

Jewgeni, russischer Deserteur.
Jewgeni, russischer Deserteur. Copyright AP/Copyright 2024 The AP. All rights reserved.
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Von Euronews mit AP
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Tausende Russen haben ihr Heimatland verlassen, um nicht gegen die Ukraine zu kämpfen.

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Jewgeni sagte seinem Freund und Kameraden, er solle bitte sorgfältig zielen und seine Knochen nicht treffen. Die Tourniquets, um die Blutungen zu stillen, lagen bereit. Der Schmerz, der folgte, war der Preis, den er für eine neue Chance im Leben in Kauf nahm. 

Wie Tausende andere russische Soldaten desertierte er aus der Armee. Doch das neue Leben hatte er sich anders vorgestellt. Die Nachrichtenagentur AP sprach mit mehreren Offizieren und einem Soldaten, die aus dem russischen Wehrdienst geflohen sind. Gegen sie alle laufen Strafverfahren in Russland, wo ihnen eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren droht. 

Erwartet hatten sie eine willkommene Aufnahme vom Westen. Diese ist jedoch nie eingetroffen. Stattdessen leben alle bis auf einen im Verborgenen. „Wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringt, erlebt sie sehr intensive Schmerzen und schenkt neues Leben. Ich habe mir selbst Leben geschenkt, nachdem ich sehr intensive Schmerzen durchgemacht habe", sagte Jewgeni.

Spione, Kriegsverbrecher oder Helden?

Für westliche Nationen stellen russische Soldaten ein besonderes Problem dar: Sind sie Spione? Kriegsverbrecher? Oder Helden? Insgesamt sind die Asylanträge von russischen Staatsbürgern seit dem russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine angestiegen, aber nur wenige erhalten Schutz. 

Das unabhängige russische Medienunternehmen Mediazona hat seit September 2022 mehr als 7.300 Fälle vor russischen Gerichten dokumentiert. Die Anklagen hätten sich im letzten Jahr versechsfacht.

Deutsche Behörden sagen, dass Russen, die den Militärdienst verweigern, Schutz suchen können. Auch ein französisches Gericht hat im letzten Sommer entschieden, dass Russen, die sich weigern zu kämpfen, den Status eines Flüchtlings beanspruchen können. 

Praxis für Deserteure sieht anders aus

In der Praxis ist es jedoch für Deserteure schwierig, Asyl zu erhalten. Die meisten haben Pässe, die nur Reisen innerhalb weniger ehemaliger Sowjetstaaten erlauben, sagen Anwälte, Aktivisten und Deserteure.

Weniger als 300 Russen erhielten im Jahr  2022 in den USA den Flüchtlingsstatus. Die Zoll- und Grenzschutzbeamten trafen im Jahr 2023 mehr als 57.000 Russen an den Grenzen der USA an, im Vergleich zu rund 13.000 im Jahr 2021. 

In Frankreich stiegen die Asylanträge zwischen 2022 und 2023 um mehr als 50 % auf insgesamt etwa 3.400 Personen, so das französische Büro, das die Anträge bearbeitet. 

Und im letzten Jahr erhielt Deutschland 7.663 Erstanträge auf Asyl von russischen Staatsbürgern, gegenüber 2.851 im Jahr 2022, teilte das deutsche Innenministerium der AP in einer E-Mail mit. Keine der Daten gibt an, wie viele davon Soldaten waren. 

Andrius Kubilius, ein ehemaliger Ministerpräsident Litauens, der jetzt im Europäischen Parlament tätig ist, argumentiert, dass die Förderung von Russen, die Wladimir Putin ablehnen, im strategischen Eigeninteresse des Westens liegt. Weniger russische Soldaten an der Front bedeute eine schwächere Armee.

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